ICC: Das Problem mit dem schlechten Ruf

Douglas Adams hat in seiner Triologie in fünf Bänden „Per Anhalter durch die Galaxis“ einen Vorschlag für ein revolutionäres Antriebssystem: Man verwendet „schlechte Nachrichten“. Die Vorteile liegen auf der Hand: Praktisch in beliebiger Menge verfügbar, bewegen sich mit (mindestens) Lichtgeschwindigkeit vorwärts, und kein Umweltschützer ist böse, wenn man sie verheizt. Allerdings hatte das Antriebskonzept auch einen entscheidenden Nachteil: Die Nutzer des Antriebs waren überall unbeliebt, weil der Antrieb auf die Nutzer abgefärbt hat – der Ruf der Nutzer war dank der vielen schlechten Nachrichten ruiniert.(Außerdem weiss man nie, wo Gerüchte und schlechte Nachrichten überall ankommen, was die navigation erschwert.)

„Schlechter Ruf“ manifestiert sich im Internet beispielsweise in Form von Blacklists (zum Blocken von Spam, zum Blocken von pornografischen oder anderen unliebsamen Inhalten etc.). Dabei werden, je nach Backlist, einzelne Hosts auf die Liste gesetzt, oder auch ganze Subnetze. Verbreitet sind auch Scoring-Verfahren. Spammt der Rechner selbst, bekommt er eine hohe Score, spammt ein Rechner im gleichen Subnet, bekommen alle Rechner im Subnet eine niedrigere Score etc. Somit erreicht man recht gut große Teile von Botnetzen, wenn diese beispielsweise aus Rechnern im gleichen Subnet einer Firma bestehen, die sich alle gegenseitig infiziert haben.

Ist man erst einmal auf einer solchen Liste vereten, kann man schnell auf andere Listen wandern, und der Ruf ist ruiniert. Das System der Blacklist ist bewährt, und wird gerne genutzt.

Der Effekt kann beim Cloud Computing auch eintreten – im englischen spricht man von „reputation fate sharing“. Man stelle sich folgende Situationen vor:

  • Man setzt einen neuen Mail-Server in der Cloud auf. Aufgrund des extrem hohen Reuse-Faktor erhält dieser Rechner eine öffentliche IP, die kurze Zeit vorher noch einem der größten Spam-Bots aller Zeiten gehört hat. Viel Vergnügen.
  • Einer der Cloud-Rechner wird zum Versenden von größeren Mengen Spam missbraucht. Das System Blacklist schlägt zu und setzt diesen Rechner auf die Liste, und dank eines bewährten Scoring-Verfahrens bekommen die übrigen Rechner im Subnet auch einen Malus. Somit wurde der schlechte Ruf, den eigentlich nur einer der Rechner erhalten sollte, auf alle andern verteilt.

Das Verfahren, das sich bei Subnetzen, die den gleichen Betreiber haben, bewährt hat, wird so zum unkalkulierbaren Risiko für alle Cloud-Kunden.

Lösungen gibt es für dieses Problem nur wenige: Zum einen könnte man das Blacklist-Verfahren modifizieren, um Cloud-Rechner auszunehmen. Allerdings würde dies einen extremen Anstieg des Spams nach sich ziehen. Zum anderen könnte man natürlich endlich Verfahren zur Spamvermeidung auf den Weg bringen, sodass Blacklists überflüssig würden. Zertifikate für SMTP und Greylists wären ein möglicher Anfang.

Ein Kommentar

  1. Hi,

    das ist mal ein erfrischend anderer Blick auf Cloud. Wir haben tatsächlich das ganze AUsmaß der „IT-Umwälzung“ noch nicht verstanden. Cloud bietet Möglichkeiten im besten Sinne des Wortes, aber nicht mehr. Die Realität wird den Möglichkeiten, wie hier herrlich beschrieben, „natürlcihe“ Grenzen setzen. Was dann übrig bleibt? Wer wei?

    Gruß
    Martin

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert